Reisewahrheiten

März, 2015 #tbt

Um so richtig in einen fremden Kulturkreis einzutauchen ist wohl nichts hilfreicher, als eine Fahrt im angebotenen öffentlichen Nahverkehr eines Landes. Gesagt getan, dachten wir uns und verzichteten bewusst auf einen Flug, um in die Hauptstadt Bangkok zu gelangen. Unsere Wahl fiel dabei auf eine Fahrt im Nachtzug für dieses Vorhaben. Unserer Einstellung folgend, unsere Reiseschritte nicht minutiös im Voraus zu planen und uns spontan im Moment zu bewegen, traten wir also unsere Odyssee an. Nichtsahnend, dass die Reise länger dauern würde als vermutet und uns am Ende jedoch, um so einige Erfahrungen reicher machen sollte.

Als erste Herausforderung erwies sich bereits zu Beginn das Finden der korrekten lokalen Buslinie, welche den Weg aus der Innenstadt von Surat Thani hin zu dem ca. 14 km entfernten Bahnhof in Phun Phin überbrücken sollte. Der zentral gelegene Busterminal stellt sich seinerseits als ein wahres Wirrwarr aus Minibussen, Taxis und Tuk-Tuks dar, welche jedoch alle eins gemeinsam haben: Sie bringen einen, wenn überhaupt, nur für einen überhöhtes Entgelt nach Phun Phin ans Gleis. Nach längeren Dialogen mit den vor Ort ansässigen und immer gut gelaunten Fuhrunternehmern brachten wir also in Erfahrung, dass der ausgewiesene Busterminal natürlich nicht die richtige Adresse ist, wenn es darum geht mit einem lokalen Linienbus zum Bahnhof zu gelangen. Natürlich nicht… Vielmehr befinden sich die eher unscheinbaren Haltestellen entlang der Talad Mai Road. Nach einer kurzen Suche und weiterem Nachfragen, fanden wir schließlich die, für uns nicht als Abfahrtpunkt erkennbare, Bushaltestelle. Das Herausfinden der richtigen Buslinie ist dann jedoch ein Kinderspiel, denn zeigt man dem vorbeifahrenden Bus auf, dass man Willens ist die Fahrt mit ihm anzutreten, so hält dieser so dann wie ganz selbstverständlich und man erfragt ob das eigene Fahrtziel zu dem der Buslinie passt. Die Fahrkartenverkäuferin des, in den 70er Jahren erbauten, Busses, verwies uns höflich, aber bestimmt auf die Stelle in „ihrem“ Bus, an der wir mit unserem Gepäck Platz zu nehmen haben, auch wenn uns dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt als etwas sonderbar erschien. War ja irgendwie noch alles leer hier. Bereits 3 Stationen später wussten wir, dass unser Platz im Bus nicht rein zufällig gewählt wurde, sondern vielmehr Teil des strategischen Kalküls unserer Schaffnerin war, um die maximale Anzahl an Fahrgästen in den Bus zu stapeln.  Jetzt schien der, natürlich nicht klimatisierte Bus, ob der Vielzahl seiner Passagiere aus allen Nähten zu platzen. Die für uns kurz erscheinende Strecke von 14 km überbrückte unser Gefährt in „nur“ einer Stunde und nach dem Aussteigen freuten wir uns vom Grunde unseres Herzens das erste Etappenziel unser Fahrt erreicht zu haben und wären sehr mit einer kalten Dusche einverstanden gewesen.

Der betagte Linienbus zum Bahnhof. Foto von JOURJOUR

Die Orientierung im Regionalbahnhof Phun Phin stellte sich dann wiederum als sehr übersichtlich dar und die Informationen zu den abfahrenden Zügen zu Preis und Abfahrtszeiten konnten wir im Vorfeld auf der angebotenen Internetpräsenz der thailändischen Eisenbahn (www.railway.co.th) in Erfahrung bringen. Wir betraten also den Bahnhof mit dem Wissen um die richtige Zugnummer und näherten uns dem Schalter, um das Ticket für ein Schlafwagenabteil zu erstehen. Mit großen Augen schaut uns die Bahnbedienstete am Schalter Nr. 2 in der Bahnhofsvorhalle verblüfft an und man weiß augenblicklich, dass sie die soeben formulierte Frage zwar verstanden hat, aber ihren Ohren nicht traut. Nein einen Schlafplatz im von uns gewählten Zug könne sie uns nicht mehr offerieren und ergänzt mit einem nachsichtig buddhistischen Lächeln, dass sie für den heutigen Tag überhauptkeine Schlafplätze mehr anzubieten hat. Die einzige Möglichkeit noch heute die Reise gen Bangkok anzutreten bestünde in der Möglichkeit ein Ticket für die 3. Klasse im Regionalzug Nr. 172 zu erwerben. In Ermangelung anderer Alternativen fiel es uns nicht schwer, diesen Vorschlag, unsererseits mit einem Lächeln, zu akzeptieren. Der Preis für die Fahrt im Zug allerdings stellte sich als ein unschlagbares Angebot dar. Denn so zahlten wir für die ca. 700 km währende Fahrt pro Person 213 Baht, also ca. 6,- Euro.

„Unter normalen Voraussetzungen würde solch eine Reise ca. 12 Stunden in Anspruch nehmen. Aber, und das haben wir bereits nach nur 4 Wochen Aufenthalt in diesem wunderschönen Land festgestellt, normal ist eine Begrifflichkeit, die zumindest an westeuropäischen Maßstäben gemessen, eher selten anzutreffen ist.“

Die Fahrtzeit, beginnend mit der Abfahrt um 21.26 Uhr, wurde mit knapp unter 12 Stunden angegeben, was sich im Nachhinein jedoch als eher loser Richtwert herausstellte. Nach einem ausgiebigen Abendessen im Vorfeld zur Stärkung in Hinblick unserer Reise, betraten wir also den Bahnsteig und wurden, wieder einmal höflich, aber bestimmt von einer uniformierten Bahnangestellten gebeten unser Zugticket vorzuzeigen. Ein kurzer Blick auf unser Ticket genügte der schneidig, wie auch kompetent, wirkenden Uniformträgerin, um uns an das am Gleis befindliche Whiteboard zu führen und uns über die aktuelle Verspätung des Zuges unserer Wahl in Kenntnis zu setzen. So verzögerte sich die Abfahrt noch vor deren Beginn um zunächst 55 Minuten. Nach zusätzlichen 38 Minuten Verspätung setzten wir letzten Endes unseren Fuß also gegen 23 Uhr in den Wagen 9 und suchten unsere, zum Glück, nummerierten Sitzplätze, die für die kommende Nacht unser Lager darstellen sollten. Der beim Erwerb der Zugfahrkarten noch unglaublich günstig erscheinende Preis, spiegelte sich sodann mit unverblümter Wirklichkeit in den Abmaßen der Sitzbank wider. Uns wird schlagartig bewusst: Zwei in ihrer Größe durchschnittlich gewachsene Mitteleuropäer finden auf solch einer Bank zusammen nie und nimmer Platz. Die Lösung unseres Platzproblems wiesen uns unsere Blicke auf die anderen Mitreisenden, die sich mit ihrer Lage im Zug bereits arrangiert hatten. Und diese Lösung war so simpel, wie für uns ungewöhnlich. Einer nimmt auf, der andere unter der Bank Platz. Wobei Platznehmen jetzt irgendwie auch nicht das richtige Wort darstellte. Vielmehr kauerten wir uns ober- und unterhalb der Sitzplätze mit den Nummern 27 und 28, in der Hoffnung, dass die Fahrt durch das Finden von Schlaf, schneller vergehen möge, als gedacht.

Unsere Mitreisenden nahmen die Unannehmlichkeiten mit buddhistischer Gelassenheit. Foto von JOURJOUR

Es war für uns jedoch überraschend wie lebhaft solch ein Waggon auch noch um 2 Uhr nachts sein kann, denn Verkäufer von Snacks, kalten und heißen Getränken, als auch der Wechsel der Mitreisenden an den sich anschließenden Haltestellen entlang der Strecke, machten einen dauerhaften Schlaf leider nur schwerlich möglich. Und als aus dem Nachbarwagon der, möglicherweise eigens für diesen Zweck mitgeführte, lebende Hahn den aufziehenden neuen Morgen ankündigte und wir im aufgehenden Sonnenlicht unsere müden Knochen zum Knacken brachten, wussten wir, dass es manchmal doch sinnvoll sein kann, sein nächstes Reiseziel etwas längerfristig im Vorfeld zu planen.

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